Neurorehabilitation mit recoveriX bei MS-bedingten motorischen Einschränkungen. Interview mit Dr. Christoph Guger

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Diesmal begrüße ich Dr. Christoph Guger als Interviewgast und wir sprechen über die Möglichkeiten der Neurorehabilitation mit recoveriX bei MS-bedingten motorischen Einschränkungen. Nach erfolgreichen Studien und Erfahrungen im Bereich Schlaganfall wurde recoveriX auch bei Menschen mit Multipler Sklerose erprobt, die krankheitsbedingt unter motorischen Einschränkungen leiden und auch hier funktioniert das Training.

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Im Interview sprechen wir darüber, wie das Training mit recoveriX abläuft, wie viele Trainingseinheiten nötig sind und welche Verbesserungen realistisch sind. Außerdem sprechen wir darüber, wo das Training angeboten wird, welche Kosten entstehen und wer ggf. Zuschüsse von einem Leistungserbringer in Anspruch nehmen kann.

Der Podcast und der dazugehörige Blogbeitrag wurden mit freundlicher Unterstützung der g.tec medical engineering GmbH ermöglicht.

Einleitung – Wer ist Dr. Christoph Guger?

Christoph Guger: Mein Name ist Christoph Guger. Ich bin hier in Schiedlberg in Österreich ansässig. Es ist ein sehr kleines Dorf, in dem sich unser Hauptsitz von g.tec medical engineering befindet. Wir wurden vor rund 25 Jahren gegründet, stellen Brain-Computer-Interfaces her und beliefern viele Universitäten, Krankenhäuser, Forschungszentren und die Industrie mit unserer BCI-Technologie.

Einführung in die Neuroehabilitation mit recoveriX

Können Sie uns einen Überblick geben, was recoveriX ist und wie es MS-Patienten mit motorischen Einschränkungen helfen kann?

Christoph Guger: Also, recoveriX ist ein Brain-Computer-Interface-System, das in der Lage ist, Gehirnaktivitäten zu analysieren. Und das wird bei MS-Patienten so angewendet, dass der MS-Patient vor einem Bildschirm sitzt, auf dem man einen kleinen Avatar sieht. Und dieser Avatar bewegt zum Beispiel die linke Hand. Und das ist dann die Anweisung für den Patienten, sich eine Bewegung der linken Hand vorzustellen. Das ist ganz wichtig, er denkt nur an die Bewegung. Und dieses Brain-Computer-Interface kann dann über EEG-Signale, über Gehirnwellen erkennen, dass der Patient jetzt an die Bewegung denkt. Und dann lösen wir eine funktionelle elektrische Stimulation der Muskeln in der linken Hand aus.

Und dann führt die linke Hand schließlich die Bewegung aus, an die der Patient vorher gedacht hat. Das dauert ein paar Sekunden und dann wird zufällig eine andere Körperfunktion aktiviert, zum Beispiel der rechte Fuß. Dann denkt der Patient wieder daran, den rechten Fuß zu bewegen, das erkennt das Brain-Computer-Interface und wir stimulieren den rechten Fuß. Dies wird in einer Therapiesitzung 240 Mal wiederholt und die Patienten kommen 30 Mal zu uns. Es sind also 30 Therapiesitzungen und ein Patient stellt sich diese Bewegungen etwa 8.000 Mal vor. Dies führt zu Neuroplastizität und ist ein ganz wichtiges Prinzip der Neurorehabilitation.

Bei MS-Patienten sind auch einige Neuronen geschädigt. Sie funktionieren nicht mehr richtig. Die Aktionspotentiale werden gar nicht mehr oder nur sehr langsam weitergeleitet, wodurch die Fein- und Grobmotorik und viele andere Dinge beeinträchtigt sind. Durch die 8.000-malige Wiederholung lernen gesunde Neuronen, diese geschädigten Neuronen zu ersetzen. Neuronen können elektrische Felder wahrnehmen und sie suchen immer nach neuen Verbindungswegen und wir schicken 8.000 Mal Aktionspotentiale durch die Therapie ins Gehirn und dadurch verbinden sie diese Neuronen wieder und stärken die Fein- und Grobmotorik unserer Patienten wieder.

[00:03:26] Nele Handwerker: Sehr spannend. Aber es klingt auch etwas anstrengend für die Patienten, oder? Wiederholen Sie die Übung 240 Mal, wenn jemand eingeschränkt ist. Das würde mich interessieren.

[00:03:37] Christoph Guger: Wir haben vor vielen Jahren angefangen, das System mit Studenten zu entwickeln. Wir können genau messen, wie gut ein Proband rechts und links Gedanken visualisiert. Die EEG-Signale werden analysiert. Bei Studenten war die Genauigkeit nicht einmal so groß, weil sie nicht motiviert waren, das eine Stunde lang zu tun. Dann haben wir interessanterweise unsere erste Studie mit Schlaganfallpatienten gemacht und plötzlich ging es den Schlaganfallpatienten viel besser als den Studenten. Dasselbe gilt für MS-Patienten.

Die Extremitäten, Füße, Hände, sind oft gelähmt oder stark beeinträchtigt, sodass man sich nicht mehr richtig bewegen kann und plötzlich, oft nach vielen Jahren, bewegt sich die Hand oder der Fuß wieder, sobald ich daran denke. Das führt dazu, dass bei unseren Patienten eine sehr hohe Motivation entsteht und sie voll motiviert eine Stunde die Therapie machen. Wie schon erwähnt, war die Genauigkeit einfach viel besser und das ist natürlich auch ganz wichtig.

Wir haben eine Gruppenstudie gemacht und da haben wir einfach festgestellt, dass Patienten mit einer hohen Genauigkeit größere motorische Verbesserungen zeigten als Patienten mit einer geringeren Genauigkeit. Das heißt einfach, dass man bei der Therapie mitmachen muss, damit man mehr davon hat. Wenn man also nur dasitzt und nichts tut, ist das einfach Zeitverschwendung. Aber wenn man mithilft, bekommen wir bei fast jedem Patienten eine Verbesserung. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, wo man keine Verbesserung sieht. Das hat aber meistens mit einem zweiten Schlaganfall oder einem Rückfall der MS zu tun, sonst geht es den Patienten besser.

[00:05:23] Nele Handwerker: Okay, super. Das klingt total plausibel.

Welche MS-Patienten profitieren am meisten von recoveriX? Und gibt es gewisse Mindestvoraussetzungen, die Voraussetzung für ein erfolgreiches Training sind?

[00:05:40] Christoph Guger: Die Einschlusskriterien sind eigentlich ganz einfach. Jeder Patient, der in der Lage ist, eine Stunde vor einem Computerbildschirm zu sitzen und die Anweisungen versteht, die der Computer gibt, kann teilnehmen. Also rechte Hand bewegen, linken Fuß bewegen und so weiter, und dann ist man dabei. Bei MS ist das fast immer der Fall. Wir hatten noch nie einen Patienten, der nicht da reingefallen wäre.

Bei einem Schlaganfall könnte es sein, dass der präfrontale Kortex beeinträchtigt ist und dann versteht man die Anweisungen einfach nicht. Wenn das der Fall ist, kann die Therapie eigentlich aktiv betrieben werden. Dabei ist es egal, wie stark MS den Körper beeinträchtigt. Wir haben Menschen, die nur noch im Rollstuhl sitzen und ihre Hände nicht mehr bewegen, die profitieren. Dann haben wir Patienten, die noch fast gar nichts spüren, aber auch die profitieren. Auch ihre Fein- und Grobmotorik und die Spastik verbessern sich. Und es ist auch ganz wichtig, dass diese Patienten Sport machen, denn das Gehirn ist danach grundsätzlich gesünder. Wenn dann der nächste Rückfall kommt, fängt man einfach besser an und es wird einem nicht so viel genommen, als wenn man schlechter anfängt. Wir empfehlen eigentlich, die Therapie so schnell wie möglich zu machen, damit diese Verschlechterungen erst gar nicht entstehen.

Wie passt recoveriX in das breitere Spektrum der Gesundheitsversorgung und Rehabilitation für Menschen mit MS?

[00:07:12] Christoph Guger: Also, wir haben bei recoveriX ein Franchisesystem aufgebaut, um die Therapie ambulant anbieten zu können. Wir arbeiten mit Physiotherapeuten, Geschäftsleuten, Ärzten, Medizinern usw. zusammen. Und die können dann selbst ein recoveriX-Zentrum eröffnen. Da kommen die Patienten einfach hin für diese 30 ambulanten Therapien, die etwa eine Stunde dauern. Dieses EEG-System wird am Kopf befestigt und die Stimulationselektroden werden an Händen und Beinen aufgeklebt. Das dauert ein paar Minuten und dann wird die Therapie etwa 50 Minuten lang durchgeführt. Danach wird alles abgenommen und man kann nach Hause gehen.

Wichtig ist, viele Vor- und Nachuntersuchungen durchzuführen. Wir haben insgesamt 18 verschiedene Tests, um objektiv nachweisen zu können, was bei den Patienten eigentlich passiert. Sie müssen zum Beispiel 25 Schritte gehen und wir messen die Zeit. Dann müssen sie aufstehen, einen Kreis laufen und sich wieder hinsetzen und wir messen die Zeit. Das ist ein sehr guter Test für beispielsweise Bewegungskoordination und Gleichgewicht. Sie müssen sechs Minuten laufen und wir messen, wie weit sie kommen. Es gibt auch Konzentrations- und Gedächtnistests. Damit können wir objektiv quantifizieren, was ein Patient tut.

Das ist sehr wichtig, weil die Therapie etwa zwei Monate dauert und man oft vergisst, wie es am Anfang war und die Tests können das sehr deutlich zeigen. Bei MS sehen wir einfach fantastische Verbesserungen. Patienten gehen schneller, es kann bis zu dreimal so schnell sein. Sie stehen schneller auf, sie setzen sich viel schneller hin. Am Anfang sieht man zum Beispiel oft, dass es aussieht, als ob ein Patient aufsteht. Am Ende ist es so, als ob ein gesunder Mensch aufsteht. Deshalb machen wir auch Videos vorher und nachher, um zu vergleichen. Man kann die Verbesserung des Gangbildes deutlich sehen. Das ist sehr wichtig, um es den Patienten zu zeigen.

Wir haben dann Abschlussgespräche mit den Patienten, in denen wir all diese Parameter erklären. Und sehr oft wissen die Patienten, was sich verbessert hat. Eine Frau hat mir neulich beispielsweise erzählt, dass ihr linker Arm ständig zittert und sie ihren Kaffee nicht trinken kann, weil sie einfach alles verschüttet und keine Gabel verwendet hat. Jetzt, nach der recoveriX-Therapie, benutzt sie ihre linke Hand wieder normal, trinkt ihren Kaffee mit der linken Hand und isst wieder normal mit Besteck. Und sie merkt gar nicht mehr, dass ihre linke Hand jemals etwas hatte.

[00:11:44] Nele Handwerker: Ja, das macht absolut Sinn. Ich hatte dazu schon eine Folge, wo ich ein bisschen über die primären, sekundären und tertiären Faktoren gesprochen habe, die Müdigkeit verursachen. Und es hat wirklich viel damit zu tun, dass man einfach so viel Energie für Körperkontrollprozesse verbraucht, weil die nicht mehr gut funktionieren. Da macht es Sinn, das zu verbessern. Und es ist toll, dass sich auch die kognitiven Fähigkeiten verbessern.

In den letzten Jahren haben immer mehr Leute entdeckt, dass das wirklich eng miteinander verknüpft ist. Und dass es total Sinn macht, wenn jemand, der fitter ist, zum Beispiel Sporttraining macht, vielleicht mit ein bisschen Kopftraining. Und dann verbessert man alle möglichen Funktionen. Die Blase ist für mich etwas Neues, aber es ist toll – es ist immer gut, wenn die Neuroplastizität stimuliert wird.

Details zum Training mit recoveriX

Kann das Trainingsprogramm an die spezifischen Bedürfnisse und Fortschritte einzelner Patienten angepasst werden?

[00:12:48] Christoph Guger: Ja, das ist eine sehr interessante Erkenntnis, die wir gewonnen haben. Wir haben vor etwa zehn Jahren angefangen, recoveriX zu entwickeln. Und damals dachten wir, wir brauchen ultrakomplexe Bewegungsabläufe. Das heißt, für jede Bewegung, die man mit den Fingern und Füßen machen will, muss man sie trainieren und viele Stimulatoren einsetzen.

Wir wissen heute, wenn wir eine ganz primitive Dorsalflexion der Hand und des Fußes machen, hat das Auswirkungen auf die gesamte Extremität, also Finger, Handgelenk, Ellenbogen, Oberarm, alles verbessert sich. Die Spastik nimmt im ganzen Arm und der Hand ab und die Fein- und Grobmotorik verbessert sich. Beim Fuß ist es genauso. Und es ist eigentlich ganz interessant, dass wir nicht jeden einzelnen Finger trainieren müssen, um diese Ergebnisse zu erzielen. Und das macht das Ganze auch praktisch anwendbar, sonst würde so eine Therapie einfach viel zu lange dauern.

Man schafft das heute mit 30 Therapiesitzungen. Man trainiert also etwa 24 Stunden effektiv und danach geht es einem einfach viel besser. Ich sage immer, wenn ich nach 24 Stunden Englisch lerne, geht es mir nicht viel besser. Es lohnt sich also auf jeden Fall, diese Therapie in Anspruch zu nehmen. Wir haben eine Gruppenstudie gemacht, als Patienten die Therapie zweimal gemacht haben, und da haben wir gesehen, dass diese Verbesserungen mehr oder weniger linear weitergehen. Es hört also nicht nach diesen Therapiesitzungen auf.

Und was auch ganz wichtig ist, ist, dass es ein langfristiger Therapieerfolg ist, also machen wir Nachuntersuchungen einen Tag nach der Therapie, einen Monat später und sechs Monate später. Den Patienten geht es in der Regel nach sechs Monaten wieder besser, denn wenn sie die recoveriX-Therapie beenden, ist das Gehirn gesünder. Und dann bewegen die Patienten im Alltag mehr Füße und Hände, was die Muskeln trainiert. Und schließlich gehen sie weiter und schneller und fühlen sich besser. Es geht also nichts mehr verloren. Es sei denn, es gibt noch ein anderes medizinisches Ereignis, aber im Grunde bleibt es so.

[00:14:58] Nele Handwerker: Okay, das ist super. Mein Tipp ist, darauf zu achten, dass man eine verlaufsmodifizierende Therapie hat, die die MS im Griff hält, denn dann kann man sich auf die Rehabilitation konzentrieren. Du hast kurz den Begriff Dorsalflexion genannt. Der ist bestimmt nicht allen Zuhörern geläufig. Könntest du noch mal kurz erklären, was für eine Bewegung damit gemeint ist.

[00:15:18] Christoph Guger: Man hebt einfach die Hand und alle Finger 90 Grad nach hinten. Das meinen wir mit Dorsalflexion. Mit dem Fuß ist es fast genauso, man zieht den Fuß und die Zehen so weit nach oben, wie es geht. Und diese Bewegung erzeugen wir über diesen elektrischen Stimulator, der über das Brain-Computer-Interface gesteuert wird. In der Therapie ist es essentiell, dass das sofort passiert, also sobald der Patient an die Bewegung denkt, wird dieser Stimulator eingeschaltet. Und durch das 8.000-malige Wiederholen wird diese Neuroplastizität stimuliert und zwar so oft, wie ein Kind braucht, um laufen zu lernen. Und die Wiederholung ist für das Gehirn das Entscheidende.

Deshalb konzentrieren wir uns auch auf diese ganz einfachen Bewegungen, die der Patient im Prinzip monoton ausführen muss und dann geht es den Patienten besser. Deshalb wenden wir eigentlich bei allen Patienten die gleiche Therapie an, weil es einfach funktioniert. Bei Schlaganfallpatienten haben wir zum Beispiel auch festgestellt, dass sie wieder besser sprechen und schlucken können. Indem wir durch diese Handbewegungen den sensorischen Motorkortex aktivieren, haben wir eine Wirkung auf das Sprachnetzwerk. Zum Sprechen braucht man den auditorischen Kortex. Das ist einfach, um Sprache zu verstehen. Dann braucht man das Wernicke-Areal, um die Wörter einfach zu erkennen. Schließlich braucht man das Broca-Areal, um die Antwort zu geben. Und das steuert noch Mund, Zunge und Lippen, um die Wörter wiederzugeben. Dieser sensorische Motorkortex, der auch für Mund und Lippen usw. zuständig ist, wird durch recoveriX stimuliert. Und das hat eine Wirkung auf das gesamte Sprachnetzwerk im Gehirn.

Dasselbe gilt für Schmerzen, recoveriX wird zum Beispiel in Finnland bereits eingesetzt, um chronische Schmerzen bei Patienten zu behandeln. Wenn also Medikamente und andere Therapien einfach nicht mehr helfen, dann machen sie eine RecoveriX-Therapie, also wieder nur Bewegung vorstellen und der Schmerz lässt nach. Und das ist im Prinzip der gleiche Effekt wie beim Sprachnetzwerk. Wir können auch auf das Schmerznetzwerk zugreifen, indem wir durch die Therapie den sensorischen Motorkortex modulieren.

[00:17:43] Nele Handwerker: Spannend, Schmerzen sind definitiv auch ein unterbehandeltes Symptom von MS. Das ist super, das wird sicher für viele spannend. Jetzt hast du es schon mal erklärt, aber ich würde trotzdem gerne nochmal darauf zurückkommen.

Wissenschaftliche Prinzipien und Beweise

Was passiert im Körper und Gehirn während eines recoveriX-Trainings?

[00:18:14] Christoph Guger: Das recoveriX-System fordert den Patienten auf, sich beispielsweise eine rechte Handbewegung vorzustellen und diese Visualisierung der rechten Handbewegung aktiviert den sensorischen Motorkortex. Das ist einfach der Bereich, der für die rechte Hand zuständig ist. Das ist normalerweise in der linken Gehirnhälfte. Und genau dort haben wir EEG-Elektroden angebracht, um diese Gehirnaktivität zu messen. Im Prinzip sind das Spannungen, die vom Gehirn aktiviert werden und die können wir einfach messen, das ist ganz normale Elektrotechnik.

Dadurch erkennen wir, sobald der Patient an die rechte Handbewegung denkt. Und erst dann wird der Stimulator ausgelöst und eingeschaltet, der dann tatsächlich den richtigen Muskel stimuliert. Und dieser Paarungseffekt, der ganz wichtig ist, führt dazu, dass der Muskel aktiviert wird, sobald das Gehirn daran denkt.
Dadurch lernen die Neuronen wieder, dass sie zusammengehören und die kognitiven Prozesse werden mit der Motorik gekoppelt.

Ein weiterer interessanter Aspekt von recoveriX ist, dass viele Standardverfahren der Neurorehabilitation tatsächlich auf einmal durchgeführt werden können. Diese funktionelle Elektrostimulation, Muskelstimulation zum Beispiel, ist eine Standardtherapie, die wir machen. Die motorischen Konzepte werden weltweit eingesetzt. Der Physiotherapeut oder Ergotherapeut sagt einfach, stell dir diese Bewegung vor. Das machen wir, mit dem Unterschied, dass wir es 8.000 Mal machen.

Wir machen auch eine Spiegelneurontherapie. Der Patient sieht diesen Avatar auf dem Bildschirm und sobald er an die Bewegung der rechten Hand denkt, bewegt der Avatar auch die rechte Hand. Das wiederum aktiviert den sensorischen Motorkortex. Spiegelneuronen im Gehirn sind für das Nachahmen von Verhalten zuständig. Mein Sohn hat zum Beispiel Skifahren gelernt, indem er einfach anderen Kindern beim Skifahren zugeschaut hat. Sie sprechen mit dem sensorischen Motorkortex zurück und so lernt man Bewegungsabläufe.

Es gibt auch Experimente, die zeigen, dass, wenn ein Patient einfach einer anderen Person beim Bewegen ihrer rechten Hand zusieht, auch der rechte Handbereich in seinem Gehirn aktiviert wird, weil diese Spiegelneuronen das erzeugen. Diese Therapie ist auch im recoveriX-System enthalten. Dann gibt es noch ein paar andere Therapien, die wir kombinieren, mit dem Unterschied, dass wir alles gleichzeitig machen. Im schlimmsten Fall haben wir acht Standardtherapien gleichzeitig. Darüber hinaus haben wir auch diese Kopplung der mentalen und kognitiven Prozesse mit der Motorik über das Brain-Computer-Interface und das ist eigentlich das, was die Therapie so effektiv macht.

[00:20:59] Nele Handwerker: Super, wunderbar.

Gibt es konkrete Studien oder Belege, die die Wirksamkeit von recoveriX bei MS-Patienten zeigen? Und wie vergleichbar sind die Studiendaten mit Schlaganfallpatienten? Sind die Reha-Verläufe ähnlich?

[00:21:20] Christoph Guger: Die erste Studie war mit oberen Extremitäten bei Schlaganfallpatienten. Wir haben rechte Handbewegungen gegen linke Handbewegungen trainiert. Fast alle Schlaganfallpatienten haben sich verbessert, es gab nur zwei Ausnahmen. Eine Patientin, die leider aus dem gleichen Ort wie ich kam und die ich schon lange kenne, hatte in der Zeit, in der wir die Therapie gemacht haben, also in diesen zwei Monaten, einen zweiten Schlaganfall. Und das hat letztlich dazu geführt, dass es ihr nicht besser ging.

Der zweite Proband, der sich nicht verbessert hat, hat einfach nie aufgepasst. Er hat immer nur herumgeschaut und geplaudert. Und wenn man nicht mitmacht, nützt es ja nichts. Allen anderen ging es besser. Und das sogar 10, 20 und 30 Jahre nach dem Schlaganfall. Und das ist etwas, was die Patienten sehr oft nicht mitbekommen. Da wird ihnen gesagt, dass nach einem Jahr eigentlich keine Besserung eintritt, manchmal schon nach sechs Monaten. Und das stimmt einfach nicht. Also die Dauer, wie lange der Schlaganfall her ist, hat nichts mit den Verbesserungen zu tun. Man muss einfach mitmachen und dann geht es einem besser.

Wir haben gemerkt, die Spastik bessert sich, Fein- und Grobmotorik bessert sich, Temperaturkontrolle, Sprache, Schlucken, was ganz interessant war, dass auch die Sprache besser wird. Dann haben wir gedacht, wir sollten das eigentlich auch mal für die Füße probieren und das war dann die zweite klinische Studie. Wir haben gemerkt, die Patienten gehen einfach schneller, können länger gehen, ihr Gleichgewicht verbessert sich, ihre Bewegungskoordination verbessert sich und der Gang ist dadurch viel schöner.

Interessanterweise hat die Fußtherapie auch auf die oberen Extremitäten gewirkt. Und sogar die Hände und Arme wurden besser, obwohl wir eigentlich die Füße behandelt haben. Dann hat sich die Konzentration und das Gedächtnis verbessert. Und durch die Fußtherapie war es für den Patienten einfach viel leichter zu verstehen, wie viel er sich verbessert hat. Denn man braucht beide Füße zum Gehen und es fällt wirklich auf, wenn es dem Fuß besser geht, dass man schneller ist und im Alltag mehr leisten kann.

Mit den oberen Extremitäten kompensiert man einfach vieles und führt Tätigkeiten mit der gesunden Hand aus.

Dann merken die Patienten oft gar nicht, dass diese Hand besser geworden ist. Diese Videos waren im Nachhinein sehr wichtig, damit wir vorher und nachher vergleichen konnten. Und bei dieser Studie hat unser Neurologe, Tim von Oertzen, der Chefarzt war, an der Kepler Klinik hier in Linz gesagt, probier das doch mal bei MS aus, das müsste doch genauso gut klappen.

Dann haben wir die ersten 5 MS-Patienten für die nächste klinische Studie rekrutiert. Dann ging es 5 von 5 besser, was immer ein gutes Indiz ist, und dann mussten wir in einer Gruppenstudie nur noch beweisen, dass das im Prinzip bei allen zutrifft. Und bei MS klappt das tatsächlich sogar besser als beim Schlaganfall, also den Patienten geht es einfach ein bisschen besser. Und das lässt sich damit erklären, dass die Läsionen im Gehirn einfach viel kleiner sind als bei den meisten Schlaganfallpatienten, wo wirklich große Flächen betroffen sind.

Bei MS ist es manchmal nicht wirklich möglich, im Magnetresonanzbild zu sehen, wo die Läsionen sind. Dadurch können die gesunden Neuronen die geschädigten Neuronen vielleicht einfach besser umgehen und die Bewegung steigern. Bei MS war die Herausforderung, dass MS bilateral ist. Es sind also beide Körperseiten betroffen, während bei einem Schlaganfall nur eine Körperseite betroffen ist. Und das haben wir gelöst, indem wir MS-Patienten in einer Therapiesitzung mit dem linken Fuß gegen die rechte Hand behandeln und in der nächsten Sitzung dann den anderen Fuß gegen die andere Hand. Wir wechseln so immer ab und können tatsächlich alle vier Extremitäten aktivieren.

Das Beeindruckende bei MS-Patienten war… die Verbesserung der Motorik und der Spastik haben wir sowieso erwartet, weil wir von Schlaganfallpatienten einfach wussten, dass es hilft. Aber das Beeindruckende war eigentlich, wie sehr sie sich in Sachen Müdigkeit und Blasenkontrolle verbessert haben. Und das sind zwei ganz wichtige Punkte, weil sie im Alltag extrem hilfreich sind.

[00:25:46] Nele Handwerker: Ja, absolut. Jetzt muss ich aus Neugier nochmal nachfragen, die Blasenkontrolle wird sich wahrscheinlich verbessern, wenn ich auch die Füße mache. Ist es also auch möglich, dass man bei MS-Patienten nur die Hände und Arme stimuliert?

[00:26:00] Christoph Guger: Das haben wir nicht probiert, weil wir alle vier Extremitäten behandeln wollten. Das könnte man natürlich in der nächsten klinischen Studie untersuchen. Aber wir haben uns jetzt auf eine Nachbehandlung konzentriert, diese klinische Studie läuft gerade. Und die soll die Frage beantworten, was passiert eigentlich, wenn ich die Therapie 60 mal durchführe statt 30 mal? Wie viel besser geht es mir dann? Wir wissen von Schlaganfallpatienten, dass die Ergebnisse fantastisch sind. Wir haben Patienten sechs Monate nach dem Schlaganfall gehabt, und deren Feinmotorik hat sich deutlich verbessert. Das messen wir, indem sie kleine Stäbchen irgendwo reinstecken und wir messen einfach, wie lange das dauert. Und nach 25 Behandlungen geht es ihnen schon viel besser, obwohl sie eigentlich alle Behandlungsmöglichkeiten mit der Neurorehabilitation, die wir anbieten, ausgeschöpft haben, aber sie werden trotzdem besser.

Und wenn wir danach noch 25 Sitzungen dranhängen, geht es ihnen noch besser. Wir haben einige Patienten gehabt, deren Motorik wieder so aussieht wie vor der Gesundung. Ohne Test könnte ich also nicht feststellen, ob die Hand schon einmal eine Beeinträchtigung hatte. Mit diesen feinen Tests sieht man das, weil wir einfach sehr genau quantifizieren können, ob und wie sehr sich etwas verbessert. Und bei MS-Patienten ist es genau so, denen geht es deutlich besser.

Benutzererfahrung und Verfügbarkeit von recoveriX

Welche kurzfristigen und langfristigen Verbesserungen haben MS-Betroffene durch die Neurorehabilitation mit recoveriX erfahren und wie wirkt sich das auf den Alltag aus?

[00:27:29] Nele Handwerker: Ja, ich glaube, die meisten von uns kennen diese Tests. Ich mache sie auch regelmäßig. Diesen 25-Fuß-Lauf, 25-Fuß-Lauf und den 9-Loch-Peck-Test, wo ich Stäbchen in eine Schablone stecken muss, links und rechts. Aber nur kurz nochmal, jemand, der offensichtlich stark beeinträchtigt ist, wird wahrscheinlich nach 30 oder 25 Sitzungen nicht gesund sein. Es ist wahrscheinlich immer von dem Punkt aus, wo ich herkomme, verbessere ich mich um einen gewissen Faktor, du hast es gesagt, zum Beispiel dreimal schneller. Damit keine falschen Erwartungen geweckt werden.

[00:28:07] Christoph Guger: Nein, das ist es nicht. Dafür haben wir ja die Gruppenstudien gemacht. Im Durchschnitt wissen wir genau, wie viel sich ein Patient verbessert. Es gibt verschiedene Scores, also wie viel man weiter geht, wie viel man schneller geht. Bei der Fußtherapie zum Beispiel gehen unsere Patienten 0,19 Meter pro Sekunde schneller, nachdem sie diese Therapie gemacht haben. Das ist ein bisschen schwer vorstellbar. Aber wenn man ein Medizinprodukt in Europa registrieren will, muss man eine klinische Bewertung durchführen.

Wir haben uns jetzt also alle anderen bestehenden Rehabilitationsmöglichkeiten angeschaut und das effektivste andere Gerät schafft 0,11 Meter pro Sekunde. Wir schaffen 0,19 Meter pro Sekunde und recoveriX ist einfach viel einfacher zu bedienen. Der Patient sitzt auf einem Stuhl, führt die Therapie durch, ein Therapeut kann mehrere Patienten parallel behandeln. Es ist also viel einfacher und wir erreichen tatsächlich eine viel größere Geschwindigkeitssteigerung als jede andere Technologie. Wenn Sie normal gehen, gehen Sie ungefähr einen Meter pro Sekunde. Wir erreichen eine Verbesserung von 0,19, damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, wie viel schneller Sie gehen können. Je größer die Beeinträchtigung ist, desto mehr merkt man, wie viel schneller Sie gehen können.

[00:31:30] Christoph Guger: Wenn man Botox oder so was gegen die Spastik gibt, hält das drei Monate an und dann muss man wieder hin. Bei recoveriX haben wir einige Patienten, die einfach nie wieder Botox brauchten, weil die Spastik weg war oder die Schmerzen und Krämpfe nicht mehr so ​​dramatisch waren, dass sie es einfach nicht mehr brauchten. Das ist natürlich extrem sinnvoll. Die Verbesserung ist, dass es entweder ganz am Anfang anfängt und kontinuierlich weitergeht. Ganz am Anfang kann es schon viel sein. Aber es kann auch eine Zeit lang nichts passieren und dann geht es plötzlich los.

Wir hatten zum Beispiel einen Patienten, der nach den ersten sieben Behandlungen dachte, ich verschwende nur meine Zeit, es bringt nichts und er könnte eigentlich in ein Café gehen. Nach der achten Behandlung war die Spastik in seinem Fuß plötzlich weg und er konnte seinen Fuß wieder bewegen. Zum ersten Mal seit Jahren. Es war also ein ganz kurzer Moment, in dem die Spastik weg war und die Motorik wieder da war. Diese sofortigen Verbesserungen sehen wir ziemlich oft. Plötzlich bewegt sich etwas.

Wie zugänglich ist recoveriX für MS-Patienten? Wo findet man Anbieter für diese Art der Neurorehabilitation? Und gibt es spezielle Voraussetzungen?

[00:32:53] Christoph Guger: Ich glaube, wir sind aktuell in 18 Ländern vertreten. Das ist natürlich die Schweiz, Deutschland, Österreich, aber auch Südkorea und Honolulu. Die Zahl der Länder wird eigentlich jede Woche größer. In Österreich arbeiten wir zum Beispiel mit einer Physiotherapeutin zusammen, die bereits recoveriX-Zentren in Wien, Graz, Linz, Klagenfurt, Schladming, Innsbruck aufgebaut hat und gemeinsam mit einem Partner in Waidhofen an der Ypps eigentlich ganz Österreich abdecken wird. Letztlich wollen wir erreichen, dass niemand länger als 30 Minuten zur Therapie kommen muss, weil es natürlich ein logistischer Aufwand ist. Momentan fahren manche Leute zwei, drei Stunden, um zur Therapie zu kommen.

[00:34:09] Nele Handwerker: Okay, super. Gibt es eine Adresse oder E-Mail, an die Sie senden können, um nach dem nächstgelegenen RecoveriX-Anbieter zu fragen und immer die neuesten Informationen zu erhalten, unabhängig davon, wann Sie die Folge hören oder lesen?

[00:34:31] Christoph Guger: Am besten geht man auf recoveriX.com. Da sind alle Franchisepartner und recoveriX-Zentren aufgelistet und man gibt einfach seine Adresse in Google Maps ein und schon erscheint das nächstgelegene recoveriX-Zentrum. Wir haben natürlich auch einen Newsletter, wo wir die Leute informieren, wenn ein neues Zentrum eröffnet wird. Da kann man sich einfach anmelden.

Man will das natürlich auch in Rehakliniken und Krankenhäuser bringen. Dann kann man sich dort einfach eine Überweisung für die normale Reha holen. In Österreich gibt es zum Beispiel so ein Zentrum in Bad Hall, wo ein Patient einen Monat hingeht und sich dort einfach behandeln lassen kann. Das hat auch den Vorteil, dass die Kosten übernommen werden. Bei diesen anderen Franchisepartnern muss man das einfach selbst bezahlen. In Österreich wird schon ein großer Teil von der Krankenkasse mitfinanziert.

In der Schweiz startet demnächst einer in Zürich und deckt dann die ganze Deutschschweiz ab. In Deutschland haben wir schon Zentren zum Beispiel in Lindau und Leipzig, in Passau und in Freiburg. Und im Februar kommt München mit zwei Standorten dazu, Frankfurt und Hamburg. Und in zwei Jahren werden wir rund 50 Zentren in Deutschland haben.

Was kostet eine Behandlung bei recoveriX und gibt es Möglichkeiten, eine Teil- oder Vollerstattung von der Krankenkasse zu bekommen?

[00:35:44] Christoph Guger: Das hängt ein bisschen vom Land ab. In Finnland werden zum Beispiel 80 Euro pro Sitzung erstattet, in Österreich 48 Euro pro Sitzung. Und die Kosten variieren je nach Land ein bisschen. Im deutschsprachigen Raum, also Deutschland und Österreich, liegen die Kosten pro Therapie bei rund 130 Euro. In Österreich werden 48 Euro erstattet und den Rest kann man hinterher von der Steuer absetzen. Dann bleibt eigentlich nicht mehr so ​​viel übrig, was man selbst bezahlen muss. Was aber viel wichtiger ist, ist, dass es die Möglichkeit gibt, einfach gesund zu werden. Wenn Patienten zu uns kommen, ist Geld nicht so sehr das Thema. Die große Frage ist eher, wann bekomme ich meinen recoveriX-Termin.

[00:36:31] Nele Handwerker: Du hast gesagt, dass man die recoveriX-Therapie auch im Rahmen eines Reha-Programms machen kann. Wenn ich einen Monat da bin, trainiere ich 50 mal, also viel öfter. Oder habe ich dann weniger Einheiten?

[00:36:44] Christoph Guger: Man hat in der Regel weniger Sitzungen. Die Reha-Zentren machen eine Therapiesitzung pro Tag, aber die arbeiten nur von Montag bis Freitag. Und wenn ich einen Monat da bin, schaffe ich so um die 20 Therapiesitzungen. Natürlich kommt es auch darauf an, wie schnell sie anfangen, denn am Anfang gibt es oft Untersuchungen der Patienten und erst dann wird der Therapieplan erstellt. Aber man kann mit so um die 15 bis 20 Therapien rechnen. Wobei wir aus der Gruppenstudie schon wissen, dass es beim Schlaganfall unbedingt nötig ist, diese 25 Therapien und bei MS 30 Therapien zu machen. Wir haben Patienten, denen es nach 10 oder 20 Sitzungen nicht wirklich besser geht. Nach 25 oder 30 Sitzungen geht es fast allen besser. Man muss also eine gewisse Anzahl Wiederholungen machen, um Erfolge erzielen zu können. Da kann viel dabei sein, was besser wird, oder es kann auch nur ein bisschen sein, aber im Durchschnitt geht es den Patienten trotzdem viel besser.

[00:37:51] Nele Handwerker: Okay. Und das heißt, wenn ich die Möglichkeit hätte, das im Rahmen meiner Reha zu machen, dann würde es total Sinn machen, dass ich danach bei einem lokalen Anbieter, der außerhalb der Reha-Einrichtung ist, weiter trainiere, um auf meine 30 Einheiten zu kommen, oder?

[00:38:10] Christoph Guger: Genau, das empfehlen wir und das wollen wir letztendlich auch erreichen, dass es recoveriX in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen gibt. Dann bekommt man Therapie im akuten oder subakuten Stadium und kann auch einfach ambulant in die recoveriX-Zentren kommen. Das hat den Vorteil, dass man einfach gleich nach Hause gehen kann und ein normales Leben führen kann und nicht den Monat irgendwo festhängt, wo man einfach nicht rauskommt. Also die Kombination macht Sinn. Und wir haben auch gesehen, dass es nach 25 oder 30 Einheiten nicht aufhört, sondern so weitergeht. Und bei ganz schweren Beeinträchtigungen geht das dann auch noch lange weiter. Wir hatten einen Patienten, der das 100 Mal gemacht hat und der hat richtig schlimm angefangen und ich habe dir vorhin erzählt, dass er am Ende wieder angefangen hat zu reden und gegangen ist.

[00:39:00] Nele Handwerker: Und anscheinend eine höhere Lebensqualität, weil er wieder mit seiner Frau kommunizieren konnte. Das Thema Lebensqualität ist wirklich wichtig.

Zukunftspläne für recoveriX

Gibt es Pläne für die Weiterentwicklung von recoveriX oder andere Angebote im Bereich der Neurorehabilitation für MS-Patienten?

[00:39:29] Christoph Guger: Ja, wir… also technisch gesehen bekommen wir laufend Zulassungen in verschiedenen Ländern. Wir sind in Kanada, Australien, Neuseeland, demnächst in China und Japan, USA und so weiter, ganz Europa und Israel, das haben wir eh schon lange. Geografisch weiten wir uns also aus. Und natürlich gibt es MS in fast jedem Land der Welt, komischerweise nicht in Hong Kong, oder Gott sei Dank nicht. Technisch gesehen probieren wir das auch für andere Krankheiten, wie Parkinson. Die ersten Patienten waren schon bei uns und denen geht es auch deutlich besser. Unser erster Patient ist zum Beispiel bei diesem Timed-Up-and-Go-Test, der ein Indikator für Fein- und Grobmotorik, Bewegungskoordination und Gleichgewicht ist, doppelt so schnell gelaufen, dass sich das alles verbessert hat. Wir führen auch die aktuelle klinische Studie durch.

Wegen der Müdigkeit haben wir auch Patienten mit Long Covid eingeladen. Auch die Müdigkeit von Long-Covid-Patienten, die jetzt bei uns sind, hat sich deutlich verbessert. Aber uns fehlt noch die Gruppenstudie. Das sind nur ein paar Patienten, die bisher bei uns waren. Wir haben auch ein paar Menschen mit inkompletter Querschnittslähmung in die recoveriX-Therapie aufgenommen. Auch unser erster Patient konnte diesen Timed-Up-and-Go-Test nach Abschluss von 25 recoveriX-Therapien mehr als doppelt so schnell absolvieren.

Wir können also grundsätzlich für ein breites Spektrum neurologischer Erkrankungen klinische Studien durchführen. Nur ist jede klinische Studie sehr zeitintensiv und mit viel Aufwand verbunden. Aber sie funktioniert für ein breites Spektrum an Hirnschädigungen. Und wie man sieht, selbst in der Wirbelsäule, also bei einem inkompletten Querschnitt, ist die Läsion nicht im Gehirn, sondern tiefer. Und der Mechanismus funktioniert wahrscheinlich so, dass das Gehirn durch Neuroplastizität neu organisiert wird, dass das Gehirn einfach die Bahnen, die im Rückenmark noch vorhanden sind, besser nutzt, sodass der Patient besser laufen kann.

[00:41:47] Nele Handwerker: Echt spannend.

Schlusssatz

Wo finden interessierte Zuhörer weitere Informationen zur Neurorehabilitation mit recoveriX?

[00:42:00] Christoph Guger: Die Ergebnisse der klinischen Studien zu Schlaganfall und Multipler Sklerose findet man auf recoveriX.com. Da kann man nachlesen, natürlich wird auch in wissenschaftlichen Publikationen ausführlich erklärt, was sich verbessert, wie viel sich verbessert und wie es wirkt, das kann jeder nachlesen. Wir haben auch eine Publikation in Frontiers for Kids. Das ist im Prinzip eine wissenschaftliche Publikation, die für Kinder geschrieben ist, die kann man Kindern sogar geben, die wird auch von Kindern rezensiert. Das ist ganz interessant. Und dieser Artikel zum Beispiel ist viel leichter zu lesen als eine wissenschaftliche Arbeit. Und man versteht wirklich schnell, wie recoveriX eigentlich funktioniert und was es bewirkt.

Und wir haben auch viele Videos online. Das sind zum einen Patienteninterviews, wo Patienten einfach berichten, was sich verbessert hat. Das ist sehr interessant, sich das anzuhören, weil man dann ein bisschen abwägen kann, ob man eine ähnliche Beeinträchtigung hat und ob es einem etwas bringt. Dann haben wir jede Menge Vor- und Nachuntersuchungsvideos online, wo man einfach in einem Video vergleichen kann, wie sich der Patient vorher bewegt hat und wie er sich nachher bewegt hat und man sieht ganz genau, was sich verbessert hat.

Das ist für den Patienten und für die Familie und für die Ärzte immer das Entscheidende, dass sie so ein Video sehen, weil diese ganzen Untersuchungen, 9-Loch-Peg und wie die auch heißen, auch wenn es doppelt so schnell geht, man kann sich gar nicht so richtig vorstellen, was das im Alltag bedeutet. Bei den Videos sieht man ganz genau, was die machen.

[00:43:38] Nele Handwerker: Wunderbar. Vielen Dank für die Entwicklung und an dein Team, mit dem du natürlich daran arbeitest, klingt nach einer ganz tollen Sache. Vielen herzlichen Dank für deinen Gastauftritt und weiterhin viel Erfolg, damit möglichst viele Patienten davon profitieren können. Es ist wohl für alle möglichen Erkrankungen geeignet, bei denen Neuroplastizität benötigt wird und verbessert werden muss. Bei MS oder Schlaganfall hört es nicht auf. Super spannend. Vielen Dank, viele Grüße nach Österreich. Tschüß.

[00:44:17] Christoph Guger: Danke für die Einladung. Ciao.

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